Im Grunde ist das Leben leicht

Meine nackten Füße berühren das feuchte Gras. Die Halme kitzeln meine Zehen. Ich laufe über die Wiese, die den Geruch frischen Sommerregens in sich trägt. Die Sonne kämpft sich ihren Weg hinter den dunklen Wolken hervor und streichelt zart mein Gesicht. Ich spüre die Leichtigkeit der Luft auf meiner Haut, wie sie die Härchen meiner Armen umspielt. Meine Augen scannen neugierig die Umgebung. Das Grün der Bäume leuchtet so saftig, so voll und rein. Regentropfen hängen an ihren Blättern und fallen gemächlich auf die Erde. Im Strahl der Sonne wirken sie wie abertausend Kristalle, die die Welt in ein funkelndes Meer verwandeln.
Ich bade mich in dem Anblick dieser träumerischen Landschaft, während meine Ohren das süße Singen der Amseln vernehmen. Das Pochen meines Herzens passt sich dem Rhythmus der Natur an. Meine Mundwinkel wandern nach oben und aus tiefster Seele entspringt mir ein lautes Lachen. Ein Lachen, so echt und warm, umwoben von der Glückseligkeit des nachhauchenden Sommerregens.
Ich blicke in den Himmel und verfolge die letzten Wolken, bis sie aus meinem Sichtfeld ziehen. Die Unendlichkeit des Universums spiegelt sich in meinen Augen. So viel Raum, so viele Richtungen, so viele Möglichkeiten, sich zu entfalten. Ich strecke meine Arme in die Höhe, versuche den Rand der Welt zu erhaschen. Doch es gibt keine Grenzen, kein Ende, keinen Abgrund. Über mir erstreckt sich die Unendlichkeit. Eine energiegeladene Leere, die nur darauf wartet gefüllt zu werden.
Ich lasse meinen Blick nach unten gleiten. Unter mir liegt die unendliche Weisheit der Erde, die sich über Millionen von Jahren angesammelt hat. Sie hat Eiszeiten überstanden, Feuer überlebt und sich immer wieder angepasst und ihre Wunden geflickt. Ich spüre ihre Energie, sie kitzelt meine Fußsohlen und durchströmt meinen ganzen Körper.
Ich fülle meine Lungen mit der warmen Sommerluft und träume von den Dingen, die ich erreichen kann, von den Türen, die mir offen stehen und der tiefen Verbundenheit allen Lebens. Gestützt vom Boden unter mir. Beflügelt von der mich umgebenden Freiheit. Bodenständig und ungebunden. Getragen und unbegrenzt. Hier und überall. Heute und in Ewigkeit. Denn im Grunde ist das Leben leicht.

Das Leben leicht zu nennen ist gewagt, ich weiß. Vor allem als privilegierte, weiße Cis-Frau, die in einem sicheren Zuhause aufgewachsen ist und der es an nichts (überlebenswichtigem) fehlt. Doch dieser Beitrag handelt nicht von mir oder dir, er handelt nicht von gut oder schlecht. Er handelt von der Stärke, der Weisheit und der Freiheit, die das Leben für uns bereithält – würden wir uns selbst und gegenseitig nicht im Wege stehen.
Der Moment, in dem wir zum ersten Mal das Licht des Lebens erblicken, ist gefüllt mit Liebe und Reinheit. Wir kennen keine Ungleichheiten, keine Grenzen oder Ängste. In diesem Moment sind wir nur eines: Wir SIND.
Diese Leichtigkeit des Seins trägt uns hinein bis ins Kindesalter. Klar, gab es hier und da mal Tabus und Tränen. Doch noch während uns die dicken Krokodilstropfen über die Wangen liefen, fanden wir einen Grund zu lachen. Und schon war das Problem vergessen. Diese Unbeschwertheit und Losgelöstheit aller Regeln und Normen sind es, die das Leben aus Kinderperspektive so federleicht machen.
Doch mit steigendem Alter kommt Verantwortung. Verantwortung gegenüber anderen und uns selbst. Wir müssen Grenzen kennenlernen, Regeln verstehen und unsere gesellschaftliche Rolle finden. Die Unendlichkeit des Universums, die uns als Kind so fasziniert hat, wirkt plötzlich begrenzt.
Wo wir damals unberührt über jede Situation lachten, sagte uns plötzlich jemand, wir müssten das Leben ernst nehmen. Es gäbe wichtigeres als Spaß zu haben. Und so verlernten wir die Unbeschwertheit.
Wo wir damals unverblümt die größten Träume träumten, sagte uns plötzlich jemand, wir müssten realistisch sein. Man könne im Leben nicht alles haben. Und so vergruben wir unsere Visionen.
Wo wir damals unbefangen jedem Menschen ein Lächeln schenkten, sagte uns plötzlich jemand, wir müssten vorsichtig sein. Man könne nicht jedem vertrauen. Und so wuchs unser Misstrauen.
Wo wir damals kein Blatt vor den Mund nahmen, sagte uns plötzlich jemand, wir müssten unsere Zunge hüten. Man müsse sich konform verhalten. Und so verloren wir unsere Stimme.
Wir wurden erwachsen. Geformt von den Regeln des Alltags verloren wir den Blick für das große Ganze. Wir vergaßen die Wurzeln, die uns halten, und den Freiraum, der sich um uns erstreckt. Regentropfen sind heute nichts weiter als das: ein Relikt eines Schauers. Das Grün der Bäume gedämpft. Die Geräusche um uns strapaziös. Das Lachen aufgesetzt. Die Möglichkeiten begrenzt.
Ich sage nicht, dass das Leben immer einfach ist. Doch im Grunde ist es leicht. Im Grunde – das heißt in seiner ursprünglichsten Form. Unverbogen von den Meinungen anderer. Unberührt von unseren Erfahrungen. Rein und unbeschrieben. Und manchmal, wenn auch nur ganz kurz, sollten wir zu diesem Ursprung zurück.
Das Kind in uns darf hier und da mal raus. Lass es lachen – aus tiefster Seele. Lass es staunen und entdecken – mit großen Augen. Lass es lieben und träumen – als gäbe es keine Grenzen. Spüre dich zurück in die Unbeschwertheit. Lass dich tragen von der Erde und beflügeln von der Unendlichkeit. Denn es gibt keinen Rahmen, der das Leben begrenzt.
Letztlich sind wir nur eines: Wir SIND. Und das ist Grund genug, das Leben zu genießen, uns frei zu machen und uns große Träume zu erlauben.
❥ Janina
So schön geschrieben. Das tut im Herzen echt gut so was zu lesen. Danke sehr und schön, dass es dich gibt hihi 😉 und danke. dass du dein Schreibtalent, welches die Herzen der Menschen, auf inspirierende Weise zu berühren vermag, teilst. Worte können Heilend sein und deine sind es auf jeden fall.
❤
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Vielen Dank für das liebe Feedback! Freut mich sehr 🙂
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